04.07.2008
Beerdigung von Herrn Reichle in Lahr an einem strahlend schönen Sommertag.
Tod = Wahrheit über die wahren Freunde: Ich bin erschüttert, wie wenig Leute zur Beerdigung kamen: Von den "Offiziellen", mit denen Herr Reichle zu Lebzeiten viel zu tun hatte und denen er sehr oft eine Bühne bot, war niemand da.
Tod = Vereinigung der Familie. (Neue) Begrenzungen der Bezugskreise zum Toden: Engste Angehörige. Freunde des Angehörigen. Freunde der Familie. Verbundene im Geiste. Nachbarn. Fremde. Zaungäste. Neugierige. Personal für die Verrichtungen des Beerdigungsrituals (Pfarrer, Friedhofwächter, Gärtner, Orgelspieler).
Der Pfarrer sprach vom Totentanz und vom Tanz mit dem Tod, Todestanz.
Veitstanz fällt mir ein.
Tanz der Vampire.
Totenglocke: Die Stille des Gedenkens und des Gebets wird von der Totenglocke unterbrochen. Bimm, bamm, bimm, bamm, unerträglich konsequent im Takt und Ton: Jedes Bimm verstärkt das noch nachhallende Bamm. Links, rechts, links, rechts, so als wolle und solle der Geist in alle Welt zerstreut, zertönt werden.
Letzter Glockenschlag: Der Hall schwingt nach, wird schwächer, wird schwächer, bis er ganz verhallt und die Stille hörbar wird.
Moderne Formen der Totenglocke: Hammer des Richters, des Versteigerers (der Zuschlag), des Börsianers, der Pfiff beim Abfahren des Zuges, der "schlagartig" die bisherigen Beziehungen in völlig neue verwandelt.
Herr Reichle wird verbrannt und seine Asche ein paar Tage beerdigt. Die Trauerfeier findet also ohne den Gang zum Grab statt. Irgendwie ist das komisch: Es fehlt etwas: Das Ritual der "Versenkung des Toten". Es fehlt das Ritual der öffentlichen Versicherung und Verlässigung darüber, dass der Tote wirklich tot ist. Es fehlt das Augenscheinliche des Toten.
Totengedenken: Freiwillige, ritualisierte, wiederkehrende Ereignisse, an denen überprüft wird, ob der "Geist des Toten" in den Köpfen der Nachkommen noch weiterlebt. Das Totengedenken wird erzwungen durch Mahnmale, Grabsteine, Gedenktage. Denn es handelt sich um einen Zwang für die Nachkommen, sich mit den Toten, besser mit ihrem Geist auseinander zu setzen und ihn aktuell zu halten. Mich erschüttert der Gedanke, dass es ausgerechnet die Leiden und Untaten sind, denen ein Denkmal gesetzt wird. Die permanenten Erinnerungen z.B. an die Niederlagen in einem Krieg, die Untaten in den Konzentrationslagern und die bestimmt irgendwann einmal auch auftretenden Denkmale für die Kriegsverbrechen der heutigen Machthaber tragen immer nur das Negative weiter, so als ob es für die Nachkommen das Wichtigste sei, dass sie wissen, dass auch sie zu solchen Untaten in der Lage seien.
Tod = Gedenktage ohne Geist. Simplizissimus, ein Dichter und Denker, der in der Nachbargemeinde Renchen offiziell hoch verehrt wird und dem das Wort "Simpel" zu verdanken ist. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der heute(!) die Werke des Simplizissimus gelesen hat, noch niemand, der ihn verstanden hat, was aber auch niemand daran hindert, sich alljährlich zu bestimmten Anlässen zu versammeln und "in seinem Geiste, gemeint ist Simplizissimus, zu reden und seine großen Taten und Bedeutungen für die heutige Stadt" zu würdigen. Der Tod hat Simplizissimus wohl endgültig erreicht: Sein Geist ist ein Zombie.
Tod = Gelegenheit zur Leichenfledderei. Gelegenheit, Dinge an sich zu nehmen, von denen bekannt ist, dass ihr Wert den Angehörigen nicht bekannt ist oder von denen die Hinterbliebenen noch nichts wissen (können) oder die von den Hinterbliebenen nicht (mehr) geschätzt werden.
Todesvollstrecker: der Henker.
Leichenschmaus. Gemeinsames Feiern des Todes. Gemeinsames sich Verlässigen über die Nachkommen. Ich gehe nicht hin: Ich will mich nicht mit Personen zusammensetzen, um eine Beziehung aufzubauen oder zu verstärken, die ich in meinem alltäglichen Leben ebenfalls nicht will.
Tod = Kondolieren. Mitgefühl ausdrücken, Eingebunden sein und Verstärken des emotionalen Schmerzes des Verlustes - und teilen, reduzieren dieser Emotion durch die Mitteilung mit anderen.
Tod = Rache an allen, die dem Toten Schaden zufügen wollten: Sie haben jetzt niemand mehr, den sie schädigen könnten. Sie verlieren, ebenfalls endgültig.
Tod = Verletzung, Überschreitung von Grenzen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann: Wer z.B. die Wissensgrenze überschritten hat, dass 2x2=4 ist, kann sich nicht mehr in den Zustand zurückversetzen, als er es noch nicht wusste. Der Tod zerstört die bisherige Denk- und Erfahrungswelt endgültig.
Dieser Kontext ist ein Modul des Kontextes: "Tarot in der Wissens-transformation".
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