05.04.2008: Da ist sie! Zum ersten Mal!!!??? Bewusst!!!???: Die Todesangst. Die Angst vor meinem eigenen Tod. Zum ersten Mal - so meine ich zumindest -, meine ich, die Todesangst bewusst wahrzunehmen. Es ist zum ersten Mal ein beklemmendes Gefühl:
Ich beginne nachzurechnen, wie viel Zeit mir noch noch Leben bliebe. Ich merke, dass ich meinen Todeszeitpunkt irgendwann festlegen muss. Dieses Gefühl hatte ich bereits vor einigen Jahren, wo ich mich dabei erwischt hatte, dass ich keine Vorstellung über mein Alter jenseits der 60 Jahre hatte. Und deshalb dieses Projekt ausgedacht habe, um mich zu Vorstellungen zu zwingen, dass es mich jenseits der 60 Jahre noch geben würde.
Zurück zum Todeszeitpunkt: Meine Nachrechnungen bzw. Kalkulationen ergaben, dass ich mindestens 79 Jahre alt werde. Das sind noch 19 Jahre. Dann ist mein Projekt Li Yung zu Ende. (Anmerkung 2022: Es geht um das Projekt, das jetzt unter "Tarotspiel" noch immer läuft. Dieses Dokument ist ein Teil davon.) Vielleicht benötige ich noch 1-2 Jahre, um die restlichen Dokumentationen zu schaffen, d.h. ich werde mit 81-82 Jahren sterben. Eine Vorstellung über ein Leben danach habe ich nicht. Ich will es mir auch nicht vorstellen - zumindest zur Zeit nicht.
Bleibt die Frage, wie ich sterben will. Am liebsten durch einen Entschluss, wie am Abend das Licht im Wohnzimmer auszumachen, zu Bett zu gehen, einzuschlafen und im Traum dort aufzuwachen, was wir Menschen als das Jenseits (von hier) bezeichnen. Ich würde es gar nicht bemerken, dass ich tot bin, denn ich lebe ja im Jenseits weiter. Das stelle ich mir vor wie ein Erlebnis, das ich immer wieder in meinen Träumen habe, auch zurzeit wieder jede Nacht: Ich träume außerordentlich intensiv. Wenn ich aufwache, benötige ich erst einige Sekunden um festzustellen, auf welcher Ebene ich aufwache: Bis heute war es diese Welt. Aber es wäre für mich überhaupt kein Unterschied, wenn ich in einer meiner Traumwelten aufwachen würde. Wünschen möchte ich mir aber, dass es ein schöner Traum ist, eine schöne Welt, in der ich dann aufwache und kein Albtraum,
Tatsächlich habe ich noch keine Träume geträumt, in welcher eine Welt bestand, in welcher ich eher aufwachen möchte als in der jetzigen. Die Welten der aufregenden und stimulierenden Träume waren eher Welten von kurzen Episoden, aber keine, die ich für dauerhaft attraktiv hielte. Ich wäre jeweils zu sehr gebunden. Die Welten wären mir zu eng, zu klein, zu einseitig: Die jetzige Welt ist dagegen viel, viel größer und von einer unglaublichen Vielfalt von Optionen. Die Traumoptionen sind dagegen fast Einschränkungen, wie ich sie beim XV Der Teufel beschrieben habe: Der Aktionsradius ist im Traum sehr sehr klein gegenüber der realen Welt.
Ein Teil meiner Todesangst ist, diese Optionen endgültig zu verlieren: Ich sehe 60 Jahre Leben hinter mir und etwas über 20 Jahre vor mir. Mein Körper wird älter, mein tatsächlicher Aktionsradius wird kleiner. Ich habe seit wenigen Tagen auch keine Jahreskarte für die Bahn mehr, die mir das freie Reisen innerhalb Deutschlands erlauben würde. Die Neuerungen, die durch die Jugend eingeführt werden, bleiben mir fremd: Ihre Musik, ihre Art zu sprechen, ihre Grundüberzeugungen, ihre Art, ihre Beziehungen zu organisieren und zu leben, die Art und Weise, wie sie einerseits ihr Gehirn zu Höchstleistungen bringen und andererseits alles tun, damit es vollgedröhnt wird durch Töne, Drogen oder sonstigen Mitteln, die Welt nicht zu sehen und zu nehmen wie sie ist. Vielleicht ist das eine Art von Lebensangst, sich zu schützen vor der Vielfalt der Welt, so wie mich jetzt die Todesangst beschäftigt, nämlich die Angst vor dem Verlust dieser Vielfalt, dieser unendlich vielen Optionen. Vielleicht ist es die Angst oder die Unfähigkeit der Jugend, sich entscheiden zu wollen oder entscheiden zu können: Es fehlen die Parameter für die Entscheidungen: Die Parameter der Eltern und Erziehungspersonen können es nicht sein, eigene sind noch nicht entwickelt, was bleibt sind die Parameter, die eine kurzfristige intensive Nutzung der Optionen, nämlich das extensive Ausleben des Moments, erlauben. Zukunft findet nicht statt: Die Gegenwart zählt.
Meine Todesangst ist ähnlich: Es fehlen mir die Parameter, nach welchen ich mein restliches Leben ausrichten will: Natürlich habe ich Wünsche. Aber für die Erfüllung der Wünsche kann ich keine Verantwortung übernehmen. Wohl aber für die Parameter, nach welchen ich mein Leben ausrichte. Das kann einige Wünsche erfüllen, bedeutet aber tatsächlich auch zu akzeptieren, dass die Zeit für die Erfüllung vieler meiner Wünsche längst vorbei ist oder die Wünsche in Bezug auf mein restliches Leben ihre Bedeutung verändert haben, ja zum Teil bedeutungslos geworden sind.
Fragen beschäftigen mich wie: Was erwartet mich mit meiner Frau? Sie kränkelt. Will ich mein Leben mit ihr teilen - auch und gerade deswegen, ohne aber zu einem Krankenpfleger zu verkommen? Welche Beziehungsformen eröffnen sich mit meiner Frau für die restlichen Jahre? Ich merke, dass hier ein Kribbeln anfängt: Ich möchte es erleben, mit ihr - und hoffe, sie möchte es auch mit mir. Ich weiß in diesem Moment, wo ich dies schreibe, dass dies nicht ohne bedingungslose Ehrlichkeit und Akzeptanz des jeweils anderen Menschen gehen kann. Die Zeit der Schminke, des Parfüms und des Balzverhaltens ist vorbei: Es bleibt die Nacktheit von Adam und Eva: Nichts, aber auch gar nichts ist anders als es ist: Alle Illusionen, Zuschreibungen und Hoffnungen sind nüchtern real: Es gibt nichts mehr zu beschönigen, nichts mehr, was besser werden könne, nichts mehr was anders werden könne: Paradoxerweise empfinde ich das jetzt in diesem Moment als sehr entlastend: Es gibt auch keinerlei Aufwand mehr, anders sein zu wollen als man ist: Die totale Selbstbejahung und Selbstakzeptanz wird möglich. (Das bedeutet nicht, dass das mich freut: Ich bin konfrontiert mit meinen Teilen, die ich an mir selbst auch nicht schätze - und mit meinen eigenen Soll´s und den fremden, denen ich folge und die ich für richtig halte.)
Todesangst: Flucht vor dem Leben. Das ist das Risiko für mich: Ich fürchte, dass ich mich zu früh zurückziehen werde und vereinsame. Mir fällt schwerer, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. Ich bin sehr wählerisch geworden: Wo finde ich Menschen, mit denen ich über meine Themen sprechen könnte? Wo finde ich Menschen, mit denen ich meine restlichen Jahre gesellschaftlich gestalten kann und will?
In meiner Umgebung nehmen die Themen Krankheit und Zwickerlein zu. Mich nervt das. Ich habe überhaupt keine Lust, mich mit Leuten zu treffen und meine Zeit damit zu verbringen mit dem Austausch über die körperlichen und geistigen Unzulänglichkeiten, die einen hindern, die Optionen des Lebens zu erkennen, zu erschließen und zu nutzen: Ich will keine Gesellschaft von professionellen Leidenden, also von Personen, die hochprofessionelle leiden und ihren Lebensinhalt nur noch darin sehen, mit anderen darüber zu streiten, wer mehr leide und damit weniger verpflichtet sei, für den anderen zu sorgen, sondern den höheren Anspruch habe, versorgt zu werden. Ich will keine Gesellschaft von Personen, die nur noch über ihre Art und Weise, wie sie das Leben nicht mehr nutzen, sondern nur noch die hohe Emotionalität und körperliche Empfindungen dessen, worunter sie leiden.
Ich habe Angst vor der Krankheit.
Einige Überlegungen zur Krankheit:
Krankheit sehe ich als Regulativ:
Sie mahnt, vielleicht erzwingt sie sogar, jene Lebensformen nicht mehr zu nutzen und auch jene Kontakte nicht mehr, die von den Möglichkeiten ablenken, die zu nutzen noch zur Lebensaufgabe gehören. Sie erzwingt vielleicht gerade jene Kontakte, Erlebnisse und Rahmenbedingen, denen sich (endlich) zu stellen, die Lebensaufgabe ist. Die Lebensaufgabe kann ich nicht kennen, denn sonst könnte ich mein Leben wie ein Projekt organisieren und "abarbeiten". Die Lebensaufgabe ist leben. Und das ist nicht auf Ziele zu reduzieren, so schön, so bedeutend, so menschlich oder chic sie auch sein mögen.
Krankheit kann auch eine Mahnung oder eine Warnung vor einem zu frühen Todeswunsch sein. Man will das Leben nicht mehr leben, das einem möglich ist, sondern weigert sich und legt sich eine Krankheit zu, die gegenüber allen anderen auf dieser Welt belegt, dass man "mit Recht" nicht mehr so leben kann, wie man es könnte, wenn die Krankheit nicht da wäre. Nur im tiefsten Innern weiß man um die Verantwortung für die eigene Krankheit: Häufige Arztbesuche und dramatische Operationen oder Unfälle oder körperliche Behinderungen hindern daran, das Eigeninteresse an der Krankheit und die persönlichen Nutznießungen daraus offenlegen zu müssen. Man belügt die Welt.
Krankheit kann auch erzwingen, endlich die Lebensformen und das Leben kennenzulernen, was das Leben erst lebenswert macht: Sie zwingt sich jenen Personen zu stellen, jene Beziehungen einzugehen und zu leben, die durch die Krankheit erst möglich werden. Sie zwingt auch, die Härte und Kälte der Menschen kennenzulernen - und sich dennoch oder gerade deshalb für das Leben, Weiterleben und Leiden zu entscheiden, ohne wissen zu können, wofür das gut sein sollte.
Ich muss nicht nur festlegen, wann ich sterben werde, sondern auch wie.
Dieser Kontext ist ein Modul des Kontextes: "Tarot in der Wissens-transformation".
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